Das Herzkreuz

Wie abergläubisch sind wir Jäger und was steckt hinter unseren sagenumwobenen Ritualen und Glücksbringern?

Wie abergläubisch sind wir Jäger und was steckt hinter unseren sagenumwobenen Ritualen und Glücksbringern?

Dass der Jäger ein Sammler ist, ist hinlänglich bekannt, er bewahrt Teile seiner erlegten Stücke auf, aus Aberglauben, als Andenken oder als vermeintliches Arzneimittel – der Herzknochen als Trophäe ist schon Jahrhunderte bekannt. Allerdings wird das Vorkommen dieses Knochens in der Jagdliteratur nur einzelnen Wildarten und das wiederum nur selten zugesprochen.

Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit als Jagschulleiterin wurde ich schon des Öfteren im Rahmen des Unterrichtes bei dem Thema Steinwild mit der Frage konfrontiert, wie häufig denn das sagenumwobene Herzkreuz beziehungsweise der Herzknochen, lateinisch Os cordis, vorkommt und bei welchen Wildarten dieses eventuell noch zu finden sei.

Im Mittelalter etablierte sich bis in die Neuzeit umfangreiches Gedankengut, welche Verwendungsmöglichkeiten tierische Produkte zur Abwehr oder Heilung diverser Krankheiten oder als mythologischer Talisman zu entfalten vermögen.

Der deutsche Mediziner Johann Georg Agricola (1558-1633) erörterte in seinen Werken betreffend der Naturmedizin welch umfangreiche und wundersame Heilkraft der Herzknochen – allerdings nur von jungen Hirschen – hat und hält dies in abenteuerlichen Anleitungen fest. Es ist von in Wein gekochten Herzbeinen die Rede, deren Trunk gegen Ohnmacht wirkt, am eigenen Leib getragen am Herzen, wirkt es gegen allerlei Herzbeschwerden, erhitzt mit Blut bis es schwarz wird und pulverisiert zum Riechen in Säcken vermengt mit diversen Kräutern stärkt es Blut, Herz und Gedächtnis, es wirkt gegen giftige Tierbisse, gegen Schwindsucht, wird in Salben vermengt und auf Wunden aufgelegt und gilt als Entwurmungskur. Besonders förderlich sei das junge Hirschkreuz zur Erhöhung der Fruchtbarkeit kombiniert mit Wein und senkt gleichermaßen eingenommen Geburtswehen beziehungsweise löse es Geburtskomplikationen. Als Salbe oder Pulver wird es bei Nasenbluten verabreicht und bei sämtlichen Kinderkrankheiten gilt es als Allheilmittel.

Doch nicht nur Teile des Hirsches wurden als Arznei oder Talisman im großen Stil genutzt, auch der Steinbock galt bereits im Mittelalter als wandelnde Apotheke. So eröffnete Erzherzog Guidobald von Thun und Hohenstein (1616-1668) in der eigenen Hofapotheke eine Fachabteilung für Steinwildarznei. Überlieferungen zufolge wurde hier wieder mit dem Aberglauben Schindluder getrieben und so künstliche Herzknochen für mehr Gewinn hergestellt.

Einerseits bedingt durch die fortschreitende Technik der Jagdwaffen, andererseits durch den gipfelnden Aberglauben an den Steinbock als goldene Arznei und damit verbundener Profitsucht, da all diese Teile um teures Geld gehandelt wurden, galt der König der Alpen zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa nahezu als ausgerottet.

Für den modernen, aufgeklärten Menschen sind diese Methoden heute völlig fremd. Der Herzknochen ist für diejenigen, die es überhaupt noch kennen, eine schöne Erinnerung an ein Jagderlebnis, vielleicht auch noch ein Glücksbringer, mehr aber nicht mehr.

Wenn man moderne Jagdliteratur auf der Suche nach dem Herzknochen, in der Jägerfachsprache auch Herzkreuz (-l, -erl), Hubertuskreuz, Herzkugel, Herzbein, Hirschkreuz, Hirschbein genannt, durchstöbert, fällt auf, dass dieses Gebilde hauptsächlich dem Stein-, Rotwild- und Gamswild zugesprochen wird. Oftmals wird betont, dass nur ältere Stücke einen „Knorpel“ besitzen. Ebenso wird diese häufig kreuzförmige Struktur als Knorpel, welcher durch Erhärtung der Herzklappen entsteht, definiert, oder als Verknöcherung im Herzmuskel.

Im Rahmen meiner Ausbildung zur akademischen Jagdwirtin an der Universität für Bodenkultur Wien, habe ich im Zuge meiner Abschlussarbeit systematische Untersuchungen zu genau diesem Thema, dem Herzknochen, durchgeführt.

Eine Stichprobengröße von annähernd 500 Herzen verteilt auf die Schalenwildarten Reh-, Rot-, Sika, Dam- und Muffelwild hat gezeigt, dass das dem durchschnittlichen Jäger wenig bekannte Herzkreuz, der sogenannte Herzknochen (ein kreuzförmiger Knochen in der Scheidewand der Vorkammern), Os cordis, gar nicht so selten vorkommt, wie man in jagdlichen Kreisen mutmaßt. Bei 73 Prozent der Proben konnte ich einen Herzknochen finden (Abb. 1). Vom kleinsten gefundenen Gebilde mit der Länge von 4,29 mm bei einem ein bis vierjährigen Stück Rotwild, bis zum längsten Herzknochen mit 47,18 mm eines über neunjährigen Rothirschen ließ sich bei allen untersuchten Wildarten das Vorkommen quer durch die Altersklassen bestätigen, wobei dies nicht bei jeder Wildart gleich stark vertreten war. Die Häufigkeit des Vorhandenseins eines Herzknochens steigt allerdings nicht mit zunehmendem Alter – in Klasse III wurden prozentuell betrachtet mehr gefunden, als in Klasse II (Abb. 2). Ebenso korreliert die Länge des Knochens nicht mit dem Alter des Stückes. Auch geschlechterspezifisch haben sich Unterschiede aufgetan, wie beispielsweise bei Rehkitzen – bei weiblichen Stücken ist der Herzknochen tendenziell länger. Statistische Tests haben gezeigt, dass das Gewicht eine stark signifikante Rolle betreffend des Vorkommens eines Herzknochen spielt. Beim männlichen Sikawild ergab sich allerdings nahezu gleiches Körpergewicht, ob mit oder ohne Herzknochen. Eine histologische Untersuchung hat Aufschluss über die Beschaffenheit der gefundenen Gebilde gegeben und ein Vergleich des Körpergewichtes zur Herzknochenlänge mittels Berechnung von OCIs (Os cordis Indices) hat gezeigt, welche Wildart den relativ längsten Knochen hat. Als geeignetes Mittel zur Altersschätzung kann die Länge der Herzknochen aufgrund meiner erhobenen Resultate allerdings nicht herangezogen werden.

Meine gesamten Ausführungen zu diesem Thema finden Sie auf der Webseite des Universitätslehrgangs zum Jagdwirten unter dem Titel „Die Herzknochen, Ossa cordis. Eine Untersuchung an ausgewählten Schalenwildarten“

Unwissenschaftlich hoffe ich ja, dass an den magischen Kräften des Herzknochens etwas dran ist, denn mit dieser Anzahl, die wir nun zu Hause haben, wären wir unsterblich.

„Herz“lichen Dank! Und ein kräftiges Weidmannsheil,

Eure Theresa Zwettler

Der Artikel ist in der Jänner-Ausgabe 2021 des Jagdmagazins „Die Jägerin“ erschienen.

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